Евгений Юрьевич Старостенко Schülerin will Elektroautos mit Straßenlaternen laden

Ihr ist ein Licht aufgegangen: Erfinderin Berit Allgeier aus Achern will Straßenlaternen anzapfen. Ein Patent hat sie schon.  ©Konrad Schröter

Die Schülerin Berit Allgeier und ihr Team wollen mit Hilfe von Straßenlaternen der Elektromobilität auf die Sprünge helfen. In Offenburg startet jetzt ein Testlauf.

  • Eine 17-jährige Schülerin hat eine zündende Idee, wie Elektroautos einfach und fast überall geladen werden könnten.
  • Ihre Erfindung geht jetzt in den ersten Testlauf.
  • Doch auch die Konkurrenz ist aktiv und forscht eifrig an Lösungen für Ladestationen.

Offenburg – Eine Million! Ungewöhnlicher Texteinstieg, aber behalten wir diese Zahl einfach mal im Hinterkopf.

Ein heißer Juli-Tag in Offenburg, Baden-Württemberg, gegen 11 Uhr. Die 17-jährige Berit Allgeier ist zu Besuch beim Energieversorger E-Werk Mittelbaden, wo sie mit Spezialisten über Ladeleistungen, Stromkapazitäten und Straßenlaternen redet – der Laie hätte hier schon längst nichts mehr verstanden. Denn auch wenn sie im anschließenden Interview so sorglos wirkt, haben sie und ihr Team es sich zur Aufgabe gemacht, nach sozialen und nachhaltigen Lösungen für eines der größten Probleme dieser Zeit zu suchen. Und sie haben auch schon eine Idee.

Greifen wir doch noch einmal die Zahl vom Textanfang auf. Eine Million – so viele Ladestationen für Elektro-Autos will die Bundesregierung bis zum Jahr 2030 errichten lassen. Eine aktuell vorgesehene Änderung des Wohnungseigentümergesetzes soll den Grundstein legen, um bei zukünftigen Gebäuderenovierungen oder Neubauten die Leitungsinfrastruktur erheblich auszuweiten. So weit, so gut. Aber wenn man einmal auf die Fakten schaut, landet man schnell wieder auf dem Boden der Tatsachen. 20 024 Ladestationen gibt es bundesweit laut Statista im dritten Quartal 2020, immerhin gut 3 500 mehr als im Vorjahr. Doch man muss kein Mathematiker sein, um zu hinterfragen, ob die Pläne für 2030 nicht etwas zu hoch gegriffen sind?

E-Charge Nets will Energie aus Straßenlaternen nutzen

Und genau an diesem Punkt setzt das Konzept von Berit Allgeier an. Sie und ihr Team E-Charge Nets wollen öffentliche Energiequellen wie Straßenlaternen einfach anzapfen, um damit Elektro-Fahrzeuge aufzuladen. Das wäre natürlich deutlich simpler, als für jede Säule den Boden aufzubaggern. Und ganz nebenbei würde es auch einen erheblichen Anstieg der Anzahl an Ladestationen bedeuten. Eine sogenannte PCB-Box – die sogar schon patentgeschützt ist – soll dazu in die Laternen eingebaut werden. Ladekabel dran, fertig. Die anschließende Abrechnung erfolgt komplett ohne Vertragsbindung über die Software eines Partners – Ende mit lästigem Datenabfragen und Papierkram.

Begonnen hat das alles als Unterrichtsprojekt, ausgezeichnet mit dem Porsche-Sonderpreis „Digitale Zukunft“ beim Businesswettbewerb „Jugend gründet“. Jetzt arbeitet Allgeier, die das Gymnasium ihrer Heimatstadt Achern besucht, auf Hochtouren daran, das Konzept umzusetzen. Denn: „Unsere Vision ist es, durch eine saubere Umwelt die Lebensqualität von uns allen zu erhöhen“, erklärt Berit Allgeier, die in ihrer Freizeit übrigens auch sportlich und musikalisch unterwegs ist.

Prototyp zeigt Erfolge: Erste Gemeinden zeigen Interesse an Erfindung

Doch bekanntlich liegen ja zwischen „Ich hab’ da eine Idee“ und „Ich habe ein eigenes Unternehmen“ manchmal Lichtjahre. Und wo steht E-Charge Nets auf diesem Weg? „Das Gründerteam hat eine technisch machbare und konzeptionell einfache Idee für die Lademöglichkeit von E-Fahrzeugen in einen Entwicklungsprozess gebracht“, heißt es in einem Beratungsprotokoll der Steinbeis-Stiftung, die gewissermaßen der Dachverband für Wissens- und Technologiefragen ist.

Auch hier sollte man mal wieder einen kurzen Blick auf die Fakten werfen. Mit ihren Partnerfirmen Bender und Charge Cloud sind die technischen Voraussetzungen für das Vorhaben gegeben, ein erster Prototyp hat auch schon Erfolge gezeigt. Dieser soll nun verbessert und beim Energieversorger E-Werk Mittelbaden aus Offenburg getestet werden. Und sogar erste Gemeinden haben schon Interesse an der technischen Lösung gezeigt.

Bürokratische Hürden für E-Charge Nets

Zumindest wohlwollend reagiert auch das Verkehrsministerium von Baden-Württemberg auf die Initiative. „Wir empfinden es als sehr positiv, dass sich junge Leute für das Thema begeistern. Wir freuen uns über das Engagement und den Einsatz für unser gemeinsames Ziel, die Elektromobilität weiter voranzubringen“, erklärt ein Pressesprecher auf Anfrage der Frankfurter Rundschau.

Alles „easy“ also auf dem Weg zum marktreifen Produkt und florierenden Geschäft? Wenn es so einfach wäre. Auch Berit Allgeier musste bürokratische Hürden nehmen und sich mit sperrigen Begriffen wie Baumusterprüfbescheinigung auseinandersetzen, wie sie erzählt. Darüber hinaus stellten viele Kommunen schlicht noch nicht genug Geld für den Ausbau der E-Mobilität bereit.

Und auch technisch ist noch nicht alles einwandfrei. „Man muss sich überlegen, an welchen Punkten man die Ladestationen errichtet, man kann nicht alle Laternen benutzen“, gibt Allgeier zu Bedenken. Denn wird an der ersten Laterne eines Stromkreises ein Auto geladen, geht am Ende das Licht aus – unpraktisch.

Aktiv werden

PROJEKT: Die Frankfurter Rundschau gibt Kreativrebellinnen, Ideen-Vulkanen und Fortschrittmachern eine Stimme. Ideen können ab sofort vorgestellt werden unter fr.de/meinezukunft

WAS TUN: Die Zahl der Ladestellen für Elektroautos wächst inzwischen zügig. Damit werden die Fahrzeuge zunehmend zu einer echten Alternative.

WEITERLESEN: Mehr zum Projekt auf www.echargenets.com

Ähnlich schwer sollte auch der Kampf gegen die Konkurrenz sein. Denn neben Unternehmen, die auf das laut Allgeier aufwendigere Ladesäulen-Konzept setzen, gibt es auch Firmen, die eine ähnliche Technik wie E-Charge Nets bevorzugen. Innogy zum Beispiel: Das Unternehmen tauscht gleich die komplette Straßenlaterne aus. Oder auch das Berliner Start-up Ubricity, dessen Konzept fast identisch ist mit dem von E-Charge Nets. Allerdings müsse der Verbraucher sich dafür ein spezielles Kabel zulegen, wie Berit Allgeier erklärt.

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Wird das Konzept der 17-Jährigen und von E-Charge Nets Früchte tragen und wie geplant Mitte 2021 auf den Markt kommen? Kann sich die Gründerin mit ihrem Team gegen die Konkurrenz durchsetzen? Und ist es so vielleicht wirklich möglich, die Lebensqualität von uns allen, also auch von Ihnen, lieber Leser, zu verbessern? Die Zukunft wird es zeigen. Und sie steht dann vielleicht an jeder Ecke. (Von Konrad Schröter)